Warum "Pferde und Pädagogik" als Konzept 

für die Kinder - und Jugendarbeit?

 
Pferde als Beziehungspartner…
Kinder profitieren auf unterschiedlicher Ebene, wenn sie ein Tier als Gefährte in ihrem Leben haben: Tiere sind Identifikationssymbol, Tröster oder auch unbestechliche und konsequente Erzieher. Die Kinder lernen auch mal ein „Nein“ von den Pferden zu akzeptieren, zum Beispiel wenn die Kinder unklar oder übereilig agieren, und suchen konstruktiv nach Lösungen. Die Kinder erhalten so die Chance neue Verhaltensmuster zu erlernen und fühlen sich darin gestärkt, mehr über die Pferde lernen zu wollen und es „nochmal zu versuchen“. Die Kinder möchten Zugang zum Wesen des Pferdes finden, das Pferd verstehen lernen und so größtmögliche Symbiose mit diesem erlangen. Um die Kinder in diesem Anliegen zu unterstützten, lade ich sie immer wieder dazu ein, genau hinzusehen und hinzuhorchen und mit viel Ruhe, Verständnis und Geduld zu handeln. Viele Impulse kommen von den Kindern selbst. Sie lernen gegenüber dem Tier behutsam zu agieren und sich selbst zurück zu nehmen. Die Impulssteuerung kann dadurch sichtbar besser werden und die Kinder werden darin gefördert, ihre Aufmerksamkeit länger aufrechtzuerhalten und sich zu fokussieren.
 
Erst allein, dann als Team…
Die anfänglichen Einzelstunden mit den Kindern ermöglichen, ein sich Einfinden in Regeln und Abläufe und einen Aufbau von Vertrauen zum Pferd und zu mir als Sozialpädagogin. Feste Routinen und eine hohe Verbindlichkeit der Regeln und Abläufe haben dabei ebenfalls einen wichtigen Stellenwert. Die Kinder können unbeobachtet intensive körperliche Nähe zum Pferd zu genießen. Die 2er Gruppe bietet wiederum im Anschluss an die Einzelstunden bzw. im Wechsel mit diesen, die Möglichkeit, soziale Fähigkeiten im Kontakt mit anderen Kindern zu erweitern und Erfahrungen im Umgang mit den Tieren mit einem anderen Kind zu teilen. Ein großer Vorteil ist hierbei, dass sie sich mit den Pferden bereits ein vertrauensvolles Verhältnis und ein Maß an Geborgenheit - auch gegenüber mir als Pädagogin - erreicht haben. Viele Abläufe sind ritualisiert und das Zuhause der Pferde und auch die Umgebung, welche er vom Pferderücken aus schon bei Ausritten erobern konnte, vermitteln Sicherheit und Wohlbefinden. In diesem Netz an sicheren Bindungen und positiven Erfahrungen können sich die Kinder nun im Kontakt mit einem anderen Kind erproben.

Selbstwahrnehmung und neue Erfahrungen mit den eigenen Handlungskompetenzen…
Das eigenständige Führen des Pferdes ist neben dem Reiten eines der Elemente, die die Selbstwahrnehmung stark ansprechen. Dabei geht es darum, das Pferd als Wesen mit eigenem Willen zu erleben, sich anzupassen, einzufühlen und bei aus Pferdesicht kompetenter und verlässlicher Führung die Erfahrung zu machen, dass das Pferd folgt und gerne kooperiert. Die Selbstwirksamkeit wird für das Kind in solchen Momenten greifbar. Aus dieser Beziehung zum Tier kann er lernen auch in ihrem Alltag Verhaltensweisen zu regulieren und in Ruhe zu agieren. Der Wunsch nach Freundschaft mit dem Pferd entspringt unserem grundsätzlichen Bedürfnis nach emotionaler Bindung. Reiten ist eine Gemeinschaft mit einem Mitgeschöpf. Das Pferd als Partner gemeinsamer Aktivitäten will auch als Freund wahrgenommen werden, beobachtet das Kind ganz genau, nimmt noch so kleine körperliche Signale wahr und spiegelt diese. Aus dieser Beziehung zum Tier können die Kinder lernen auch in ihrem Alltag Verhaltensweisen besser zu regulieren. Die Sicherheit im Kontakt mit dem Pferd kann sie auch stärken, zwischenmenschliche Beziehungen aufzunehmen und eine bessere Einschätzung dieser zu erlangen.

Rituale schaffen und Bindungsfähigkeit stärken…
Schon beim Ankommen begrüßen wir die Pferde sehr bewusst und schauen genau hin, wie es ihnen geht. Ob beim Bürsten der Pferde, während des Reitens, des Fütterns oder des stillen Beisammenseins, haben die Kinder den Freiraum von sich aus körperlichen und emotionalen Kontakt aufzunehmen und Momente der Nähe zu zulassen. Dabei sensibilisiere ich die Kinder für das Wohlergehen der Pferde, ihre Ausdrucksweise und Körpersprache– auf kognitiver und emotionaler Ebene. Wir gehen auf die Befindlichkeiten der Pferde ein und treffen Entscheidungen über das weitere Vorgehen in der Stunde im Einklang mit den Bedürfnissen und Stimmungen der Pferde. Damit stärken wir die Empathiefähigkeit und Sozialkompetenzen der Kinder.

Gelehrtes greifbar machen und kreativ darstellen…
Auch gezielte Übungen, wie das Beobachten des Sozialverhaltens der Pferde und dessen Interpretation, Basteln von Pferdebezogenen Lapbooks, das Erstellen eines Pferde-Stundenplans oder eines Steckbriefes fördern das Verständnis für das Pferd, helfen Erlebtes zu reflektieren, die Verbundenheit zu stärken und werden von den Kindern mit großem Interesse angenommen und weiterentwickelt.

Naturerfahrungen mit Pferden sammeln und über sich hinaus wachsen… 
Viele Erfahrungen und Erlebnisse finden neben den Stunden auf dem Hof und dem Reitplatz auch im nahegelegenen Wald mit den Kindern statt. Wir planen Ausritte, erkunden die Umgebung mit Wiesen, Bächen, Wäldern und bewältigen mit den Pferden im Wald kleine Hindernisse und Herausforderungen, erforschen die Natur und setzen uns vielfältigen Sinneseindrücken aus. Dies bietet die Möglichkeit für intuitiven Lernen im Umgang mit dem Pferd und den anderen Kindern. Die Kinder können dabei wertvolle Erfahrungen in der Natur sammeln und werden auch körperlich ganzheitlich angesprochen. Mit den Pferden zusammen können sie in der Natur wirksam sein, sich auf Augenhöhe selbst organisieren und kommen in Bewegung und Aktion. Diese Naturerfahrungen stärken die Kinder, machen sie resilient und kreativ. Das Entgegenbringen des Vertrauens durch mich und die Pferde nährt den Anspruch des Kindes an sich selbst, dieses Vertrauen nicht zu enttäuschen. Dabei können negativ besetzte Bilder vom eigenen Selbst überdacht, überarbeitet und neu konstruiert werden.